Hannover/Berlin. Jedes Jahr landen in Deutschland tausende Menschen aufgrund von Ersatzfreiheitsstrafen wegen Fahrens ohne Fahrschein im Gefängnis. Arme Menschen sind davon überproportional häufig betroffen, darunter viele Menschen in Wohnungsnot: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) schätzt, dass jährlich bis zu 2.000 wohnungslose Menschen Ersatzfreiheitsstrafen wegen sogenannter „Beförderungserschleichung“ nach §256a StGB verbüßen. Arme und wohnungslose Menschen können sich meist weder teure Fahrtickets noch die auferlegten Geldstrafen leisten – und „bezahlen“ dies sehr oft mit ihrer Freiheit. „Diese Regelungen sind somit unsozial. Wir begrüßen daher die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Strafrechts in Bezug auf Ersatzfreiheitsstrafen und hoffen, dass das sogenannte ‚Schwarzfahren‘ in naher Zukunft nicht mehr als Straftat geahndet wird.“, meint Werena Rosenke, Geschäftsführerin der BAG W. Sie begrüße daher die Einführung des 9-Euro-Monatstickets. So könnten wohnungslose Menschen den öffentlichen Personennahverkehr in den kommenden drei Monaten stressfrei nutzen. Dies gelte insbesondere für die rund 45.000 Menschen, die ohne jede Unterkunft auf der Straße leben. Denn das (Über-) Leben auf der Straße erfordert eine hohe Mobilität: von der Notunterkunft zur Tagesstätte über Angebote der medizinischen Versorgung weiter zur Lebensmittel- und Kleiderausgabe. Jedoch: Das neue Billig-Ticket ist ein persönlicher Fahrschein. Nicht alle Wohnungslose verfügen über gültige Ausweispapiere oder führen diese zumindest nicht ständig bei sich. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) versicherte aber auf Anfrage der BAG W, dass es an Ticketautomaten auch möglich sein wird, ohne gültige Dokumente ein 9-Euro-Ticket zu erwerben. Dazu sagt Werena Rosenke: „Die sozialpolitische Dimension sei sowohl den FachpolitikerInnen als auch den Verkehrsunternehmen bewusst. Daher würden, so der VDV, auch in KundInnenzentren kulante Lösungen gefunden. Wir raten Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe zudem dringend, sich mit ihrem lokalen Verkehrsbetrieb darauf zu verständigen, wie sichergestellt werden kann, dass bei eventuellen Fahrkartenkontrollen nicht auf einer Ausweispflicht bestanden wird, so dass wohnungslose Menschen vollumfänglich von den Tickets profitieren – so wie vom Gesetzgeber und dem VDV intendiert.“ MAC
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